10.09.2021
Vom Hobby-Barista zum Kaffee-Experten
Kaffee gehört in der Gastronomie nicht nur zu den umsatzstärksten Getränken, sondern er hat in den letzten 30 Jahren einen Quantensprung im Bereich Lifestyle hingelegt. Cappuccino, Latte Macchiato, Cold Brew oder Afterdinner-Drinks waren damals hierzulande noch fremd. Und diese Vielfalt braucht geschulte Mitarbeitende. Dies haben auch Kaffeeröstereien erkannt, wie etwa Turm Kaffee: Das 26o-jährige Familienunternehmen eröffnete 2019 seine erste Barista Academy am Hauptsitz in St. Gallen, kürzlich folgte die zweite in Schlieren ZH.
Die Stars im Schulungsraum sind die Kaffeemaschinen: klassische La Cimbali, diverse kleinere Siebträger-Modelle, Cold- Brew-Zubereiter. Claudio Petti (28), Leiter der Turm Barista Academy, zelebriert die Zubereitung eines Espressos. «Den Kaffee immer frisch mahlen, in 15 Minuten verliert er 89 Prozent seines Aromas», sagt Petti, dreht den Verteiler, drückt den Kaffee an und arretiert den Kolben. Ein Blick auf die Temperaturanzeige (92,5 °C) und 25 bis 30 ml Espresso fliessen ins Tässchen. Die Prozedur ist immer gleich. Dann widmet er sich einem Cappuccino.
Schweigen über die Röstmenge
Petti, der pro Tag acht «Kurze» trinkt, sagt: «Bei der Schulung geht es nicht nur um die richtige Zubereitung, sondern um Kompetenz und Kontinuität.» Ernsthaft zubereiteter Kaffee ist komplex und beginnt bei der Auswahl der Bohne. Jede Bohne ist anders, Mischungen müssen genau konzipiert werden, damit der Kaffee für den Gast stets gleich schmeckt. Die Schlierener Barista Academy liegt Tür an Tür mit der Caffetino-Rösterei, einem Zweifamilienbetrieb. Synergien werden genutzt - so kann die Barista Academy auch Schulungen zum Rösthandwerk anbieten. Caffetino röstet die Bohnen sortenrein und sanft während 15 bis 20 Minuten bei 200 bis 220 °C.
Wie viele Tonnen werden eigentlich bei Turm Kaffee, der ältesten Kaffeerösterei der Schweiz, geröstet? Stefan Leuthold, Inhaber der Turm Kaffee mit 32 Mitarbeitenden, schmunzelt. «Niemand kommuniziert, wie viel er pro Jahr röstet. Keine Ahnung, weshalb», sagt er. «Wir bewegen uns zwischen den sechs bis zehn grössten Kaffeeröstereien der Schweiz.»
Üben, üben, üben
Eine wichtige Rolle spielt Wasser. Am besten eignet sich sauerstoffhaltiges und ausbalanciertes mineralreiches Wasser. Bei Leitungswasser hilft ein Wasserfilter. Spannend ist auch das Thema Sensorik: Petti giesst diverse Kaffeepulver mit heissem Wasser auf. Nach vier Minuten bricht Petti das obenauf schwimmende Pulver (Krone) mit einem Löffel, für den olfaktorischen Eindruck geht er mit der Nase ganz nah ran. Nach weiteren vier Minuten wird verkostet und verglichen. «Es braucht zwei bis drei Jahre, bis man den objektiven Geschmack justiert hat», erklärt CEO Roger Bähler.
Ein weiterer Trend sind Spezialitätenkaffees. Barista Lajos Horváth (36) präsentiert einen Afterdiner-Drink: 6 cl Brombeersaft, 5 Brombeeren, halbe Zitrone (Saft), 6 cl Kaffeelikör in einen Cocktailshaker geben, mit dem Stössel pressen, mit Eis auffüllen und schütteln. Einen Tumbler mit Eis füllen und Getränk darüber sieben. Es schmeckt, den Variationen sind dabei keine Grenzen gesetzt. «Kaffee wird heute in Szene gesetzt, die Kunden wollen Erlebnisse», sagt Bähler. «Es ist ein Rohstoff, der Herzen berührt.»
Die Turm Kaffee Barista Academy bietet vom Einsteigerkurs bis zum Schweizer Kaffee-Sommelier die gesamte Palette an. Für Gastrolehrlinge gibt es gratis einen dreistündigen Schnupperkurs.
Dieser Artikel ist im Original im GastroJournal 35/36 2021 erschienen und kann hier nachgelesen werden. Vielen Dank.