14.03.2024
Entwaldungsfreie Lieferketten: Neue Regeln in Kraft
Die EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten ist eine wichtige Massnahme, die darauf abzielt, die negativen Auswirkungen der EU-Importe auf die weltweite Entwaldung zu verringern. Der Hintergrund dieser Verordnung liegt in der wachsenden Erkenntnis darüber, dass die Entwaldung eine der Hauptursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt, den Klimawandel und soziale Probleme wie die Vertreibung indigener Völker ist. Unternehmen und Händler in der EU (bald auch in der Schweiz) haben bis Ende 2024 Zeit, sich auf neue Regeln zu entwaldungsfreien Lieferketten einzustellen. Diese sind nach Zustimmung des Europäischen Parlaments und der EU-Staaten in Kraft getreten. Sie sollen sicherstellen, dass eine Reihe von Waren, die in der EU in Verkehr gebracht werden, nicht zur Entwaldung und Waldschädigung in der EU und anderswo in der Welt beitragen.
EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius sagte: „Dieses Gesetz wird nicht nur dazu beitragen, die Wälder der Welt zu schützen, es wird auch die Nachfrage nach entwaldungsfreien Produkten steigern. Alle Länder werden ihre Waren weiterhin in der EU verkaufen können, sofern sie nachweisen können, dass sie frei von Entwaldung sind. Wir sind sehr daran interessiert, mit unseren internationalen Partnern zusammenzuarbeiten, um diese Verordnung zu einem Erfolg zu machen.“
Welche Produkte betrifft die Verordnung?
Durch die Verordnung sollen Unternehmen dazu verpflichtet werden, sicherzustellen, dass die Produkte, die sie auf den europäischen Markt bringen, nicht zur weiteren Entwaldung beitragen. Dies betrifft insbesondere Produkte wie Soja, Palmöl, Rindfleisch, Holz, Kautschuk, Kaffee, Kakao sowie deren Derivate. Diese Rohstoffe wurden auf der Grundlage einer gründlichen Folgenabschätzung ausgewählt, in der sie als Hauptursache für die Entwaldung aufgrund der Ausweitung der Landwirtschaft ermittelt wurden. Die Verordnung beinhaltet eine Sorgfaltspflicht für Unternehmen entlang der gesamten Lieferkette, um sicherzustellen, dass die verwendeten Rohstoffe legal und nachhaltig beschafft wurden. Marktteilnehmer und Händler müssen demnach nachweisen, dass die Erzeugnisse sowohl entwaldungsfrei (also auf Flächen erzeugt, die nicht nach dem 31. Dezember 2020 entwaldet wurden), als auch legal (im Einklang mit allen im Erzeugerland geltenden einschlägigen Rechtsvorschriften) sind. Die Unternehmen werden auch verpflichtet sein, genaue geografische Informationen (Beispiel: mit aktuellen GPS-Daten) über die landwirtschaftlichen Nutzflächen zu erheben, auf denen die von ihnen bezogenen Erzeugnisse erzeugt wurden, damit diese auf Einhaltung der Vorschriften überprüft werden können. Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass die Nichteinhaltung der Vorschriften zu wirksamen und abschreckenden Sanktionen führt.
Welche Auswirkungen auf Lieferketten kann es geben?
Obwohl die EU die Komplexität globaler Lieferketten anerkennt, erwartet sie von den Unternehmen, dass sie angemessene Massnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass ihre Lieferanten entwaldungsfrei arbeiten. Die Verordnung zielt darauf ab, den Druck auf Unternehmen zu erhöhen, um verantwortungsvollere Beschaffungspraktiken zu fördern und letztendlich die Entwaldung zu reduzieren. Sie steht im Einklang mit den globalen Bemühungen, die Ziele des Pariser Abkommens und der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Trotz der lobenswerten Ziele der EU-Verordnung äussert die Kaffeebranche in Deutschland und der Schweiz ernsthafte Bedenken hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Kaffeeversorgung. Laut den Kaffeeverbänden könnte die Umsetzung dieser Verordnung ab dem Jahr 2025 zu einer Kaffee-Unterversorgung auf dem europäischen Markt führen. Dies würde zu erheblichen Preiserhöhungen führen und Millionen von Kaffeebauern weltweit in ihrer Existenz bedrohen.
Welcher Administrativaufwand fällt bei den Kaffeebauern an?
Besonders in der Schokoladen- und der Kaffeeindustrie herrscht daher Unsicherheit – aus zwei Gründen: Erstens treibt das neue Gesetz die Kosten, da mitunter die neuen Prozessverordnungen einen riesigen Administrationsberg voraussieht! Überdurchschnittlich stark davon betroffen sind kleinere und mittelgrosse Anbieter mit beschränkten administrativen Ressourcen. Zweitens sind die Betriebe besorgt darüber, ob sie weiterhin ungehindert in EU-Ländern verkaufen dürfen. Denn noch fehlen klare Leitlinien und ein digitales Berichterstattungssystem (Infrastrukturen), in das die Käufer dieser Rohstoffe die entsprechenden Nachweise eintragen müssen. Beides will die EU erst noch aufbauen. Und vor allem ist noch unklar, ob Schweizer Firmen Zugang zum EU-Berichterstattungssystem erhalten werden. Die gesamte Kaffeebranche fordert daher eine Verschiebung der Anwendung der Regelung. Es wird betont, dass trotz der grundsätzlichen Unterstützung für den Inhalt der Verordnung derzeit nur etwa 10 - 20 Prozent der Kaffeebauern die Anforderungen erfüllen können. Dies macht es schwierig, die erforderlichen Nachweise über eine entwaldungsfreie Lieferkette bis Ende 2024 vollständig zu erbringen. Die genauen Anforderungen und Verfahren für den Nachweis einer entwaldungsfreien Lieferkette können je nach den gesetzlichen Bestimmungen und den Anforderungen der beteiligten Unternehmen variieren. In jedem Fall ist jedoch eine enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Regierungen, Zertifizierungsstellen und anderen Interessengruppen erforderlich, um sicherzustellen, dass die Lieferketten nachhaltig und die Anbaugebiete entwaldungsfrei sind. Es besteht die Befürchtung, dass ohne eine angemessene Anpassungszeit die Kaffeeversorgung gefährdet und die Existenz vieler Bauern gefährdet sein könnte. Wir erkennen die Dringlichkeit dieser Angelegenheit, insbesondere da die Übergangsfrist bereits Ende dieses Jahres endet.
"Die Turm Handels AG engagiert sich aktiv in verschiedenen Gremien der wichtigsten Kaffeeverbände und verstärkt dadurch die Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und dem Bundesrat. Durch unsere aktive Rolle in diesen Gremien streben wir eine konstruktive Zusammenarbeit an, um die Interessen unserer Branche zu vertreten und auf politischer Ebene Einfluss zu nehmen", sagt Roger Bähler, Geschäftsführer der Turm Handels AG. "Wir setzen uns dafür ein, dass unsere Kunden und Partner bestmöglich von den Entwicklungen im Kaffeemarkt profitieren können und unterstützen die Bemühungen zur Bewältigung der Herausforderungen, die sich aus der neuen EU-Verordnung ergeben."